In einem fundierten Vortrag im Rahmen einer Mitgliederversammlung der SPD Waldkirch
beleuchtete der renommierte Historiker und Friedensforscher Prof. Dr. Wolfram Wette die
Hintergründe und Perspektiven des Ukraine-Krieges. Dabei rief er zu einem differenzierten
Verständnis der Konfliktursachen und -Akteure auf und warf der westlichen Politik eine Mitschuld an
der Eskalation des Krieges vor.
Ein enger Meinungskorridor in der Debatte
Der Vortrag kritisierte die verengte Debattenkultur in Deutschland, die sich durch eine stark
vereinfachte Darstellung des Konflikts auszeichne. Der Ukraine-Krieg werde oft im Schwarz-Weiß-
Schema interpretiert, was eine differenzierte Analyse behindere. Insbesondere der „Mainstream“ in
Politik und Medien folge den Narrativen der NATO und USA, die die russische Invasion vom 24.
Februar 2022 als „unprovozierten Gewaltakt“ brandmarken und eine klare Gut-Böse-Trennung
propagieren.
Längerfristige Ursachen und die Rolle der Akteure
Der Referent betonte die Bedeutung der Analyse langfristiger Ursachen des Konflikts. Er verwies auf
die historischen Spaltungen innerhalb der Ukraine, insbesondere die innergesellschaftlichen und
geopolitischen Konflikte seit der Unabhängigkeit 1991. Die geopolitischen Rivalitäten zwischen den
USA, die eine strategische Schwächung Russlands anstrebten, und Russland, das den Verlust seines
Einflusses über die Ukraine nicht akzeptiere, seien maßgeblich für die Eskalation verantwortlich. Die
NATO-Osterweiterung und die Unterstützung pro-westlicher Kräfte in der Ukraine hätten Russland
provoziert und Misstrauen geschürt.
Vermeidbarkeit des Krieges
Der Historiker verwies auf prominente westliche Stimmen wie u. a. Helmut Schmidt und George F.
Kennan, die vor den Gefahren einer NATO-Osterweiterung gewarnt hatten. Der Krieg sei vermeidbar
gewesen, hätte der Westen mehr diplomatischen Willen gezeigt, um auf russische
Sicherheitsbedenken einzugehen. Stattdessen habe die US-Strategie darauf abgezielt, Russland
langfristig militärisch und wirtschaftlich zu schwächen.
Chancen für Frieden und vertane Möglichkeiten
Ein besonderes Augenmerk legte der Vortrag auf die vertanen Verhandlungsmöglichkeiten im
Frühjahr 2022. Geheimverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in Istanbul seien auf Druck
der USA und Großbritanniens abgebrochen worden, da deren strategisches Ziel, Russland zu
schwächen, noch nicht erreicht gewesen sei. Der Referent kritisierte die mangelnde
Verhandlungsbereitschaft westlicher Regierungen und forderte eine stärkere diplomatische Initiative
Deutschlands.
Forderungen an die Politik
Der Vortrag schloss mit einem Appell: Verhandlungen seien keine Kapitulation, sondern ein
notwendiger Schritt zur Rettung von Menschenleben und zur Eindämmung langfristiger
Feindseligkeiten. Er forderte die Bundesregierung auf, sich mit Nachdruck für einen Waffenstillstand
und einen Friedensprozess einzusetzen. Besonders in Deutschland sei es wichtig, die öffentliche
Debatte von einer rein militärischen Logik hin zu einer friedensorientierten Perspektive zu lenken.
Die Analyse des Ukraine-Krieges zeige, dass der Konflikt nicht allein auf russische Aggression
reduziert werden könne. Stattdessen müssten geopolitische Machtinteressen und historische
Spannungen in den Blick genommen werden. Der Weg zum Frieden erfordere Verhandlungen und
den politischen Willen, widerstreitende Interessen auszubalancieren – eine Aufgabe, die dringend
politisches Handeln erfordere.
An den Vortrag Dr. Wettes schloss sich ein intensiver Meinungsaustausch an. Einig war man sich im
Wunsch nach einem baldigen Ende des Krieges und der Einsicht, dass dies nur auf diplomatischem
Weg erreicht werden könne.
Der Bundestagsabgeordnete Dr. Johannes Fechner nutzte die Gelegenheit, um die Mitglieder auf
einen kurzen und „knackigen“ Bundestagswahlkampf einzustimmen. Mit Blick auf die kommende
Wahl zeigte er sich optimistisch: Fechner sah gute Chancen für die SPD und Bundeskanzler Olaf
Scholz, insbesondere im Vergleich zur Union mit einem Spitzenkandidaten Friedrich Merz, der bislang
keine Regierungserfahrung vorweisen könne.
Zum Abschluss der Mitgliederversammlung zog der SPD-Vorsitzende Björn Kleine eine Bilanz des
ereignisreichen Jahres, das auch für die SPD Waldkirch viele Herausforderungen und Erfolge
bereithielt. Er hob die Verdienste des langjährigen Oberbürgermeisters Richard Leibinger hervor, der
für seine beeindruckenden 40 Jahre Arbeit im Kreistag geehrt wurde. Kleine bedankte sich herzlich
bei Leibinger für dessen Engagement und die bleibenden Verdienste um die Region.
SPD OV Waldkirch
79183 Waldkirch